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Wer sich beruflich nur quält, sollte den Schnitt wagen. Wie Sie die Aufgabe finden, die Sie auch wirklich erfüllt.

Als Maria El-Safti-Jütte sich an der Uni einschrieb, hatte sie ein klares Ziel vor Augen: Sie wollte Journalistin werden und möglichst als Filmkritikerin arbeiten. Bereits während des Studiums der Germanistik und der Medienwissenschaften jobbte sie beim Fernsehen als Redaktionsassistentin. Auch nach ihrem Studienabschluss und nach der Geburt ihrer ersten beiden Töchter blieb sie dem Sender treu und begann, Reportagen und Beiträge zu drehen. Mit Ende 20 stieg El-Safti-Jütte aus dem Beruf aus, weil sich der Fernsehjob auf Dauer nicht mit der Betreuung zweier kleiner Kinder vereinbaren ließ. Sie arbeitete ehrenamtlich bei der Caritas-Telefonseelsorge und freiberuflich als Deutschlehrerin und als Bewerbungstrainerin für die Teilnehmer von Weiterbildungsmaßnahmen.

 

„Der Umgang mit vielen unterschiedlichen Menschen und auch die Möglichkeit, etwas wirklich Sinnvolles zu tun, haben mir viel mehr Befriedigung gegeben als ich es von den Fernsehjobs gewohnt war“, sagt die 44-Jährige, „Es hat dann noch ein paar Jahre gedauert, ehe ich mir eingestehen konnte, das es genau das ist, was ich machen will. Einen völlig neuen Berufsweg zu verfolgen, der nichts mit meinem Studium und meinen ursprünglichen Ideen zu tun hatte, fiel mir zunächst nicht leicht.“ Sie absolvierte eine mehrjährige Zusatzausbildung und arbeitet heute als Erziehungsberaterin und Paartherapeutin. Mit ihrem jetzigen Posten ist sie „sehr glücklich“, von ihrem ursprünglichen Berufswunsch blieb nur die Begeisterung fürs Kino.

 

„Sich über seine eigenen Bedürfnisse und Wünsche in Bezug auf den Job klar zu werden, kann ein Prozess sein, der sich über Jahre hinzieht“, sagt die Diplom-Psychologin Maria Richter-Nordahl, die als Karriere und Outplacementberaterin arbeitet und unter anderem im Auftrag von Unternehmen ausscheidende Mitarbeiter bei ihrer neuen beruflichen Orientierung unterstützt. Mitunter biete gerade der lange gefürchtete Verlust des Arbeitsplatzes die Chance, gründlich über sein Leben nachzudenken.

 

Richter führt mit ihren Klienten sogenannte biographische Interviews, in denen ihr Lebensweg nachgezeichnet wird. „Außer den äußeren Eckdaten, wie der schulischen Ausbildung und der aktuellen familiären Situation ist es auch wichtig, zu erfahren, durch wen oder was man geprägt wurde“, so Richter.

„Wenn der Lieblingsspruch des Vaters war: ‚Was man anfängt, muss man auch zu Ende bringen’, dann kann das bestimmend für das weitere Leben sein und verhindern, dass man ein ungeliebtes Studium abbricht.“ Im weiteren Verlauf der Beratung werden die Klienten aufgefordert, aufzuschreiben, was sie gerne tun und was nicht. Arbeitet man gerne im Team? Fühlt man sich in einem Großraumbüro wohl oder eher im stillen Kämmerlein? Welche Arbeit geht einem am Leichtesten von der Hand? In welchen Situationen stellt sich ein Flow, also das Gefühl des völligen Aufgehens in einer Tätigkeit, ein? „Für viele – egal ob sie Top-Manager oder Sachbearbeiter sind – ist es das erste Mal, dass sie sich solche entscheidenden Fragen stellen.“

 

Der US-Psychologe Abraham Maslow entwickelte in den 40er-Jahren ein berühmtes psychologisches Modell: Die Bedürfnispyramide. Zunächst will der Mensch seine körperlichen Grundbedürfnisse – wie Essen, Schlafen und den Schutz vor Kälte – befriedigt wissen, dann sucht er nach Sicherheit und funktionierenden Beziehungen zu anderen Menschen und schließlich nach sozialer Annerkennung. An der Spitze der Pyramide thront der abstrakte Begriff Selbstverwirklichung. Der Suche nach Sinn und Talententfaltung haftet somit der Hautgout eines Luxusanliegens an. Völlig zu unrecht, wie Petra Bock, Karriereberaterin und Autorin des Buches „Die Kunst seine Berufung zu finden“ (Fischer-Taschenbuch, 8,95 Euro) meint. Sie hält den Wunsch nach einer erfüllenden Lebensaufgabe für ein grundlegendes Bedürfnis und rennt damit bei ihren Klienten offene Türen ein: „Die Leute sind froh, wenn man sagt, dass man nicht nur funktionieren und Angst um seinen Arbeitsplatz haben muss, sondern auch etwas von seinem Leben erwarten darf Zu Beginn jeder Karriere steht die Berufswahl.

 

Im zarten Alter von 16 bis 20 Jahren – also in einer Lebensphase, in der die Gedanken an die Zukunft naturgemäß meist auf die nächsten Monate beschränkt bleiben – entscheiden Schulabgänger, welchen beruflichen Weg sie einschlagen wollen. Da werden Banklehren begonnen, weil die beste Freundin den gleichen Weg einschlägt, da wird ein Jurastudium gestartet, weil der Numerus Clausus nicht für einen Studienplatz in Medizin reicht. „Mit den eigenen Bedürfnissen und Wünschen hat die Berufswahl oft nicht viel zu tun“, sagt Bock. „Studienfächer wie Betriebswirtschaftslehre werden mitunter aus einem Sicherheitsbedürfnis gewählt. Im Gegensatz dazu wird manchmal eine künstlerische Laufbahn als klarer Gegenentwurf zu dem Leben der Eltern – die vielleicht erfolgreiche Anwälte sind – eingeschlagen.“ Das Problem an diesen halbherzigen Entscheidungen: Sie machen auf die Dauer weder glücklich noch erfolgreich. „Man merkt, dass die Berufwahl nicht stimmt, wenn es ständig Misserfolgserlebnisse gibt. Wenn man sich ständig fragt: Was tue ich hier überhaupt? Oft trifft es Menschen, die sehr starke Fähigkeiten haben und in Berufsgruppen landen, in denen diese Fähigkeiten nicht zum Einsatz kommen.“ Auch Bock hat eine Reihe von beruflichen Umwegen hinter sich. Sie hat Politik studiert und unter anderem als Analystin und Unternehmensberaterin gearbeitet – was ihr ein gutes Einkommen aber keine Befriedigung verschaffte.

 

„Ein grundsätzlicher Punkt ist die Frage, ob jemand eher sach- oder menschenorientiert ist. Ein typisches Beispiel wäre jemand, der sehr zahlen- und faktenorientiert ist und im Verkauf eingesetzt wird, wo menschenorientierte Fähigkeiten gefragt sind“, erklärt Bock. „Wenn man diese entscheidende Orientierung nicht in seinem Beruf leben kann, dann kommt echter Frust hoch – und den schafft man auch nicht mit einer positiveren Sicht auf die Dinge oder durch einen besseren Umgang mit Kollegen beiseite.“ Die Selbsterkenntnis in Bezug auf die eigenen Ziele und Wünsche ist zwar unbedingt ein persönlicher Erfolg – führt aber leider nicht zwangsläufig auch zu einem gesicherten Einkommen. Bei der Neuorientierung muss auch geklärt werden, wie sich die Vorstellungen in die Realität umsetzen lassen. Richter bittet zu diesem Zweck ihre Klienten, sich selbst einzuschätzen und ihre Charaktereigenschaften mit Adjektiven wie „durchsetzungsstark“ oder „fürsorglich“ zu beschreiben. Auch Bekannte oder ehemalige Kollegen sollen ehrliche Rückmeldung geben und beschreiben, was ihrer Meinung nach den Charakter der Person ausmacht.

 

Mit der Zeit lässt sich so das herausfinden, was Psychologen als „unique selling proposition“ oder auch als Alleinstellungsmerkmal bezeichnen. Es geht darum, zu klären, was einen einzigartig macht und einem somit auch einen gewissen Konkurrenzvorteil gegenüber anderen Bewerbern bieten kann. Eine von Richters Klientinnen, ehemals Projektmanagerin, gab an, die Natur und insbesondere den Umgang mit Menschen und Tieren zu lieben. Sie hielt sich am Liebsten im Freien auf und wurde als kommunikativ und einfühlsam eingeschätzt. Nach eingehender Analyse ihrer Stärken, Schwächen und Vorlieben hat sie sich dazu entschlossen, sich als Tierpsychologin weiterzubilden. Mittlerweile übt sie diesen Beruf erfolgreich aus.

 

Bei der Suche nach der Berufung geht es jedoch nicht zwangsläufig um einen Richtungswechsel. Viele Menschen wissen, wie Bock betont, ziemlich genau, was sie wollen – und scheitern mit ihrem Idealismus an der harten Realität der Arbeitswelt. So begegnen ihr häufig Klienten aus sozialen Arbeitsbereichen, die ihren Beruf ehemals angetreten haben, um zu helfen und um Gutes zu tun. An ihrem aktuellen Arbeitsplatz haben sie hauptsächlich mit Verwaltungsarbeiten zu tun, der Kontakt zu anderen Menschen spielt im Tagesgeschäft kaum noch eine Rolle. Der Wechsel der Arbeitsstelle oder der Start in die Freiberuflichkeit kann helfen, die Arbeit wieder als etwas Befriedigendes zu empfinden. „Die meisten haben sehr realistische Erwartungen“, sagt die Karriereberaterin.

 

Menschen, die es urplötzlich dazu drängt, im mittleren Alter als Schauspieler oder Bildhauer zu reüssieren, sind ihr noch nicht begegnet. „Die Erkenntnis, eine Berufung zu haben, kommt nie aus dem heiteren Himmel. Sie hat immer eine Menge mit der Biographie und der Persönlichkeit zu tun.“

 

Autorin: Kirsten Schiekiera


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